Auf den Teller statt in die Tonne – Lebensmittelverschwendung
Ein Bericht von Lolo Bosange:
Es ist ein leicht bewölkter Montagabend am 19 September 2011. Draußen vor dem Aachener Cineplex ist ein großes Zelt aufgeschlagen, worin Lebensmittel aller Art gelagert sind. Dort befinden sich Gewürze, Gemüse, Obst, Brot und etliche andere „Gaumenkitzler“, darauf wartend als sogenannte „Fliegende Snacks“ zubereitet zu werden.
So zumindest beschreibt Wam Kat seine Kreationen aus weggeworfenen Lebensmitteln. Seit über 30 Jahren bereist der Doktor der Psychologie und Soziologie sämtliche Länder Europas, um für einen vernünftigen Umgang mit Lebensmitteln zu werben. Mit seinem Team sammelt er regelmäßig Essensreste, die er hinterher verwertet, um zu zeigen, was aus weggeworfenen Lebensmitteln noch leckeres zu kochen ist.
Nach der Stärkung wurde der Film „Taste the Waste von Regisseur Valentin Thurn gezeigt. Er prangert die steigende Verschwendung unserer Lebensgrundlagen an. Der beeindruckende Film beleuchtet nicht nur die Überproduktion der europäischen Unternehmen, sondern auch die Rolle der Konsumenten in diesem Kreislauf.
Während für die meisten Menschen das Mindesthaltbarkeitsdatum das entscheidende Kriterium für die Qualitätserhaltung des Lebensmittels ist, widersprechen dem die Experten vehement:“ Ein Mindesthaltbarkeitsdatum garantiert lediglich, dass es bis zum genannten Zeitpunkt keine Geschmacks- und Qualitätseinbußen gibt“, so eine Vertreterin der Organisation Misereor. Und mit Blick auf die Gesundheit, sagt sie, dass der Verzehr völlig unbedenklich ist. Die Meinung, man dürfe das Produkt darüber hinaus nicht konsumieren, sei daher falsch.
Doch die Interessen der Lebensmittelindustrie scheinen soweit vorgedrungen zu sein, dass man ihnen im wahrsten Sinne des Wortes „alles abkauft“. Soviel, dass die Unterscheidung zwischen „Was esse ich “ und „Was esse ich nicht“ immer fließender ineinander übergeht.
Dennoch scheinen sich viele dieser Frage ernsthaft angenommen zu haben. Junge Menschen, beispielsweise, durchforsten tagtäglich die Mülleimer der Geschäfte nach Ladenschluss auf der Suche nach Weggeworfenem; sie tun es nicht nur aus finanzieller Not heraus, sondern vor allem aus Überzeugung. Sie verwerten damit unnötig weggeworfene Lebensmittel. Sie gehen aber auch ein großes Risiko ein, strafrechtlich belangt zu werden. Der Regisseur, selbst aktiver „Mülltaucher“, bestätigt, dass eine Klage wegen Hausfriedensbruch nicht unüblich sei.
Dass solche Mühen nicht im Einklang mit dem Gesetz stehen, führt zu großer Verwunderung unter den Zuschauer im Aachener Cineplex. Einige Beteiligte werfen der Politik Zynismus vor, andere sind lediglich fassungslos. „Was soll man denn machen? Die guten Lebensmitteln verwesen lassen?“. Rhetorische Fragen sind bekanntlich nicht leicht zu beantworten. Aber Fakt ist, eine Antwort braucht man. Nicht nur zur Klärung des Strafmaßes, sondern vor allem zur gesamten Problematik der Verschwendung von Lebensmitteln.
Aber worin liegt überhaupt die Ursache unseres verschwenderischen Verhaltens? Während der Podiumsdiskussion versucht Bürgermeisterin Hilde Scheidt der Sache auf den Grund zu gehen: „Es ist zunächst wichtig bei den Kindern anzufangen. Kinder müssen überhaupt einmal wissen, was das Wort ‚Lebens-mittel’ bedeutet“. Hierfür verlangt Sie nach einer frühkindlichen Bildung, sowohl zu Hause als auch in den Schulen. Wenn auch noch in den Kinderschuhen steckend, versichert die Bürgermeisterin, dass seitens der Kommunen vieles in die Richtung geplant ist.
Obgleich nicht resignierend, steht der Regisseur dem Vorhaben der Politik dennoch skeptisch gegenüber. Den Druck auf die Politik bezeichnet er als „das dickste Brett“. Vielmehr vertraue er der Eigeninitiative, mit der Hoffnung eines Dominoeffekts auf Menschen aus der eigenen Umgebung. Darin sieht er einen vielversprechenden Ansatz zur Lösung des Problems und verschwendet daher keine weiteren Gedanken.