Bildungsministerin Silvia Löhrmann zum Islam-Unterricht an Schulen in NRW
Jochen Luczak berichtet über die Veranstaltung in Aachen am 7.12.2011:
Mit sehr großer Resonanz wurde unsere Veranstaltung im Islamischen Zentrum zur Einführung eines islamischen Religionsunterrichts angenommen. Fast 200 BesucherInnen waren der Einladung gefolgt und hörten einen sehr Informativen Vortrag von Bildungsministerin Sylvia Löhrmann.
Im Landtag wird zur Zeit das entsprechende Gesetz beraten. Gemeinsam haben GRÜNE, SPD und CDU den Entwurf im Landtag eingebracht. Löhrmann stellte klar, dass nach Einführung dieser Unterricht für muslimische Schüler zum Pflichtfach werde. Es sei denn, die Eltern der jüngeren Kinder oder die 14-jährigen religionsmündigen Schüler melden sich ab.
Das Recht auf freie Religionsausübung gelte für alle Religionen und müsse daher für die 350.000 Muslime in NRW einen geregelten Rahmen erhalten. Dies sei – so der Tenor vieler Beiträge – ein historischer Fortschritt.
Zuvor hatte Hilde Scheidt die Gäste zu einem offenen Dialog begrüßt. Die unterschiedlichen Religionen und vielfältigen Kulturen seien eine Bereicherung für unsere Stadt, die auf vielfältige Weise ihren Ausdruck finde. Aachen sei weltoffen – das präge das Zusammenleben und sei eine zentrale Aufgabe auch für die Zukunft.
Auch die Generalsekretärin des Zentralrats der Muslime Deutschland, Frau Nurhan Soykan, zeigte sich dankbar für die erreichten Fortschritte zur Gleichstellung der Religionen, die sich auch im islamischen
Religionsunterricht an Schulen in NRW zeigen sollte. Kritisch beleuchtete sie die Tatsache, dass es lediglich mit Hilfe eines Beirats im Moment möglich sei, eigenständigen Bekenntnis orientierten Religions-Unterricht zu erteilen.
Sylvia Löhrmann, Bildungsministerin von NRW, hingegen unterstrich, dass es zur Zeit noch mehrere Vertreter islamischer Vereinigungen gebe, so dass es keinen für alle sprechenden Kooperationspartner gibt. Der Beirat sei daher eine Brücke, um trotzdem weiter gehen zu können und 2012/13 den Unterricht in interessierten Schulen einzuführen zu können.
Gut ausgebildete Fachlehrerinnen und Fachlehrer in ausreichender Zahl zur Verfügung zu haben, ist eine besondere Herausforderung. Vom Publikum wurde über – nicht nur positive – Erfahrungen berichtet. Löhrmann unterstrich, dass NRW hier eine Vorreiterrolle spiele und in einer Kooperation zwischen den Universitäten Münster und Osnabrück die nötige Qualifikation vermittelt werden kann.
Das Recht auf freie Religionsausübung steht im Grundgesetz. Christen, Juden, Hindu, Islam und andere – Ministerin Löhrmann hält es für eine zentrale Aufgabe, diesem Recht auch im Alltag der Schulen zum Durchbruch zu verhelfen. In den eigenen Reihen der Grünen gebe es zwar nachvollziehbare Positionen, den Religionsunterricht grundsätzlich aus den Schulen fernzuhalten. Modelle wie in Frankreich seien vorstellbar. Wenn aber dieses Recht auf Religionsunterricht von den christlichen Kirchen weiterhin in Anspruch genommen wird, dann müsse gleiches Recht für alle herrschen.
Das Publikum, unter denen auch sehr viele junge Menschen waren, nutzte die Gelegenheit auch zu detaillierten Fragen. So wollte eine Schülerin wissen, ob im islamischen Religionsunterricht die Lehrerinnen ein Kopftuch tragen dürften. Das sei doch in den Schulen untersagt. Klare Antwort Löhrmann: ja, es ist ein bekenntnisorientierter Unterricht, das sei dann – wie das Kreuz für die Christen – gestattet. Nur wenige Gäste waren grundsätzlich skeptisch.
Ein stadtbekannter „Pro-NRW“ Anhänger meinte von Löhrmann eine Akzeptanz der Scharia vernommen zu haben. Die Ministerin stellte kurz und bündig fest, dass sie sich dazu noch nie geäußert habe und auch nicht vorhabe, dazu Stellung zu nehmen. Es gelte in Deutschland das Grundgesetz für alle und die allgemeinen Menschenrechte. Punkt.
Zahlreiche Wortmeldungen enthielten den Wunsch, dass die erreichten Fortschritte im Dialog der Religionen und Kulturen weiter ausgebaut werden. Mounir Azzauoi, Mitgründer des Arbeitskreises Grüne Muslime, führte als souveräner Moderator durch die Veranstaltung. Er hatte einen nicht unerheblichen Anteil daran, dass die Gespräche zwischen dem Ministerium und den muslimischen Verbänden trotz mancher Differenzen weiter geführt wurden.
Nach knapp zwei Stunden Debatte in den Räumen der Bilal-Moschee hatten alle Gäste ebenso wie die Veranstalter die Gewissheit, dass der Dialog und gemeinsame Wege zur Gleichberechtigung möglich sind und im nächsten Jahr weitere Veranstaltungen gut wären. Der Islam gehört zu Deutschland genauso wie Judentum und Christentum hatte Bundespräsident Wulff festgestellt.
Dr. Al-Halabi als Vertreter des Vorstands des Islamischen Zentrums Aachen bedankte sich mit großer Herzlichkeit bei Ministerin Löhrmann und beim Team der Organisatoren. Die Veranstaltung sei fast schon historisch. Das neue Gesetz „ein wichtiger Schritt zur Normalisierung“.
Der Weg zur weiteren Integration ist in Aachen deutlich aufgezeigt worden. Wir werden ihn weiter gehen.