Veranstaltung zum internationalen Frauentag
Zum internationalen Frauentag am 8. März veranstaltete das Iranische Kulturzentrum RAHAWARD einen Tag mit Frauen aus dem Iran und anderen islamischen Ländern. Eine der Aktivistinnen der Kampagne gegen die diskriminierenden Gesetze für Frauen im Iran, Frau Delaram Ali aus Teheran, berichtete beeindruckend über die Entwicklung der Frauenbewegung und der Frauenrechte im Iran.
Am Rande der Veranstaltung wurde ein Interview mit Frau Ali aufgezeichnet, welches ich hier veröffentliche. Frau Ali wurde nach ihrer Rückkehr nach Teheran verhaftet, ist mittlerweile aber wieder frei.
Interview mit Frau Ali
Delaram Ali ist im Iran eine der Aktivistinnen der Kampagne „1 Million Unterschriften für die Abschaffung der diskriminierenden Gesetze in Bezug auf Frauen“. Sie hat bereits wegen ihrer Aktivitäten eine Gefängnisstrafe verbüßt und es ist zu befürchten, dass sie bei ihrer Rückkehr in den Iran eine weitere Haftstrafe wegen ihrer gesellschaftlichen Aktivitäten antreten muss.
Frau Ali, können Sie uns zunächst die wesentlichen Probleme der Frauen im Iran kurz benennen?
Man kann die Probleme der Frauen nicht eindeutig klassifizieren. Aber es gibt drei wesentliche Problemkreise, die man benennen kann: Zum ersten ist dies die gesetzlich verankerte Ungleichheit von Männern und Frauen im Iran. So kann sich beispielsweise ein Mann komplikationslos scheiden lassen, für eine Frau gelten jedoch vergleichsweise hohe Hürden. Als zweiter Problemkreis ist die strukturelle und physische Gewalt gegen Frauen zu nennen, sowohl in der Familie als auch in der Öffentlichkeit. Diese Gewaltstrukturen sind zwar nicht rechtlich begründet, werden aber sehr wohl durch die Gesetze befördert. So wird beispielsweise ein Vater, der seine Tochter „aus Gründen der Ehre“ ermordet, frei gesprochen. Eine Frau hingegen, die ihren Mann in Notwehr tötet, wird zumindest zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt. Als dritter Problemkreis ist das Verbot zu benennen, dass Frauen sich an bestimmten öffentlichen Plätzen, wie z.B. Sportstadien, nicht aufhalten dürfen. Auch hierzu haben sich Arbeitskreise gebildet, die eine Aufhebung dieses Verbots als Ziel gesetzt haben.
Wie sieht denn die Praxis aus? Werden diese diskriminierenden Gesetze immer in gleicher Weise angewendet?
Es gibt durchaus Richter, die den Inhalt der Gesetze anders interpretieren, anders auslegen. Diese Spielräume kann man dann nutzen. Allerdings gilt für alle Gesetzesänderungen, es besteht immer das Problem der gesellschaftlichen Umsetzung.
Ihre Kampagne läuft ja nun bereits seit mehreren Jahren. Welche Zielsetzungen verfolgen Sie mit der Kampagne? Wie ist ihre Vorgehensweise?
Das vorrangige Ziel unserer Kampagne ist eine Novellierung der diskriminierenden Gesetze, um die rechtliche Ungleichheit von Männern und Frauen abzuschaffen. Dafür sammeln wir seit zweieinhalb Jahren Unterschriften in der iranischen Bevölkerung. Unsere Kampagne ist dezentral organisiert, wir arbeiten in Arbeitskreisen über das ganze Land verteilt, und zwar nicht nur in den größeren Städten. Durch Workshops bereiten wir unsere Aktivistinnen auf ihren Einsatz vor: Wir informieren sie über die Gesetze, geben ihnen Tipps zur Durchführung der Unterschriftenaktion, schulen sie in Gesprächsführung usw. Außerdem geben wir eine Broschüre heraus, um die Frauen über unsere Arbeit und unsere Ziele zu informieren. Dies alles, trotz großer Probleme bei der Finanzierung. Aber es ist uns bisher immer wieder gelungen, eine Lösung für diese finanziellen Probleme zu finden und unsere Arbeit fortzusetzen.
Bekommen die Frauen keine Probleme mit ihren Männern, wenn sie alleine an den Workshops und den Aktionen der Kampagne teilnehmen?
Nein, dies stellt glücklicherweise kein Problem dar. So gibt es durchaus auch iranische Männer, die unsere Kampagne unterstützen. In Teheran sind diese Männer jedoch gezwungen, eigene Arbeitskreise zu gründen. Denn bedingt durch die intensiveren Kontrollen der Regierung können dort Männer und Frauen nicht in einem Arbeitskreis zusammen arbeiten. In den anderen Städten, wo weniger Kontrollen stattfinden, arbeiten Männer und Frauen gemeinsam in Arbeitskreisen und nehmen an gemeinsamen Workshops teil.
Welche Frauen unterstützen ihre Kampagne? Ist eine Änderung hinsichtlich der sozialen und der Altersstruktur im Laufe der Kampagne erkennbar? Gibt es Unterschiede in der Unterstützung der Kampagne zwischen städtischen und ländlichen Gebieten?
Unser Ziel ist es natürlich alle Frauen anzusprechen – unabhängig von ihrer sozialen Herkunft, ihrer Ausbildung oder ihres Alters. In Teheran arbeiten wir unter anderem auch in den südlichen Stadtteilen, da dort noch viele Frauen in ärmlichen Verhältnissen leben, und es ist uns wichtig, bei diesen Frauen ein Bewusstsein für die Forderung nach rechtlicher Gleichstellung zu wecken. In den ländlichen Gebieten ist die Arbeit für unsere Aktivistinnen zum einen schwieriger, weil viele Frauen noch Analphabetinnen sind, unsere Broschüren nicht lesen und ihre Unterschrift nur per Fingerabdruck geben können. Zum anderen, weil aufgrund der traditionelleren Gesellschaftsstrukturen insgesamt eine höhere Überzeugungskraft notwendig ist.
Manche Frauen reagieren im ersten Moment eher ablehnend, weil sie befürchten, dass unsere Kampagne nicht mit ihrem Glauben in Einklang steht, oder weil sie vom Erfolg der Kampagne nicht überzeugt sind. Dennoch gelingt es uns immer wieder, bei einigen dieser zunächst kritisch eingestellten Frauen eine Meinungsänderung zu bewirken und sie zur Unterstützung der Kampagne zu bewegen.
Insgesamt jedoch können wir feststellen, dass unsere Kampagne gleichermaßen von Hausfrauen wie von Studentinnen, von zuvor unpolitischen Frauen wie von politischen Aktivistinnen getragen wird, und dass sie alle aus sehr unterschiedlichen sozialen Schichten kommen. Hinsichtlich der Altersstruktur finden sich mehr jüngere Frauen unter den Aktivistinnen wieder. Dies hat zwei Gründe: zum einen sind ältere Frauen häufiger in der Familie eingespannt und deshalb zeitlich weniger flexibel. Zum anderen verfügen jüngere Frauen oftmals über bessere Kenntnisse im Umgang mit EDV. Dies ist deshalb für uns wichtig, weil Internet und Emails wichtige Wege zur Verbreitung unserer Informationen sowie zur Gewährleistung unserer Kommunikation untereinander sind.
Welchen Einfluss hatte die Vergabe des Nobelpreises an Shirin Ebadi?
Nachdem Erhalt des Nobelpreises, gründete Shirin Ebadi eine Frauenorganisation. Damit hat sie vielen Frauen Mut gegeben, sich für ihre Rechte einzusetzen und ihre Stimme zu erheben. Seit der Gründung unserer Kampagne werden wir von ihr aktiv unterstützt, indem sie uns beispielsweise kostenlose Beratung bei juristischen Fragen gibt und uns vor Gericht verteidigt.
In diesem Jahr (das iranische Jahr beginnt am 21. März) gab es im Parlament eine Gesetzesvorlage („Gesetz zum Schutz der Familie“), die zu einer weiteren Verschlechterung der rechtlichen Situation der Frauen führen würde. Inwieweit konnte die Kampagne diese Diskussion im Sinne der Frauenrechte prägen und beeinflussen?
Im Zuge der parlamentarischen Diskussion dieser Gesetzesvorlage hat eine breite Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Kräften stattgefunden: von Einzelpersonen, über Journalisten bis hin zu NGO ´s. Es ist dem Einsatz dieses breiten Bündnisses zu verdanken, dass die Verabschiedung dieser Gesetzesvorlage zunächst verhindert werden konnte. Allerdings ist diese Entscheidung noch nicht endgültig, da die Regierung nach wie vor versucht, die Gesetzesvorlage doch noch erfolgreich durch das Parlament zu bringen.
Welche weiteren Erfolge hat ihre Kampagne noch zu verzeichnen?
Unseren wohl wichtigsten Erfolg sehen wir darin, dass dank unserer Kampagne die Diskussion um die rechtliche Gleichstellung der Frau nun auf breiter gesellschaftlicher Basis geführt wird. Waren es früher nur die Frauen der Elite, die sich mit dieser Forderung identifizierten, so sind es heute Frauen und Männer aus allen sozialen Schichten, die sich mit dem Thema beschäftigen und es in die Öffentlichkeit tragen.
Außerdem ist es uns gelungen, auch bei der Regierung einen Denkprozess dahingehend zu initiieren, dass sie es als zwingend notwendig ansehen, sich mit unseren Forderungen auseinanderzusetzen. Allerdings nur, um diesen besser entgegenwirken zu können.
Wie reagiert die Regierung ansonsten auf ihre Kampagne?
Die Regierung setzt die Kampagne und ihre Aktivistinnen ständig unter Druck. Unsere Arbeit wird durch den Geheimdienst kontrolliert, unsere Aktivistinnen müssen mit Repressionen, wie z.B. Entlassung aus dem Staatsdienst, Verweigerung der Zulassung zum Studium oder sogar Verhaftung rechnen. So wurden beispielsweise 33 meiner Mitstreiterinnen verhaftet und zu Gefängnisstrafen verurteilt, als die Kampagne zum ersten Mal den Internationalen Frauentag am 8. März feierte.
Allerdings zeigt sich auch bei den Repressionen wieder die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen. Zwar hat die Regierung wenig Verständnis für Männer, die sich für Frauenrechte einsetzen, aber bei der Verhaftung von Männern stellen wir immer wieder fest, dass diese anders behandelt werden als ihre weiblichen Mitstreiterinnen.
Allerdings stärken diese Repressionen andererseits auch unsere kreativen Kräfte. Da wir selbst in geschützten Räumen nicht vor den Übergriffen der Pasdaran sicher waren, sind wir dazu übergegangen, Internet und Email als Kommunikationsmedien zu nutzen. Da wir in der Öffentlichkeit nicht mehr direkt für unsere Ziele werben konnten, haben wir dies indirekt gemacht. So haben wir beispielsweise zum Stilmittel des Straßentheaters gegriffen, um mit Hilfe kurzer Spielszenen die Diskriminierung von Frauen zu verdeutlichen und die Passanten in ein Gespräch zu verwickeln.
Wie wirken diese Repressionen ansonsten auf die Arbeit ihre Kampagne?
Zu Zeiten, in denen die Regierung besonders starken Druck ausübt, stellen wir schon einen Rückgang der Unterschriften fest. Danach steigen diese aber wider an. Insgesamt verläuft die Entwicklung sinusförmig.