Author: Hilde Scheidt
Die Bedeutung der Muttersprache im Integrationsprozess
Aachener Integrationskonzept als Leitfaden für andere Kommunen
Bei einer Tagung in Schwerin berichtete ich über unsere Arbeit in Aachen und unser Integrationskonzept
„Willkommen zuhause? “ – mit dieser Fragestellung und der Bedeutung der Muttersprache im Integrationsprozess befasste sich eine Fachtagung am 21./22.01.2015 im Schweriner Rathaus, die gemeinsam von der Landeshauptstadt Schwerin und dem Caritasverband für die Diözese Osnabrück e.V. durchgeführt wurde.
Mit dem Vortrag „Willkommenskultur live: Sprachförderung und Teilhabepolitik der Stadt Aachen“ berichtete ich über unsere Erfahrungen und die Arbeit mit dem Integrationskonzept.
Der Fachtag richtete sich vor allem an Kommunalverwaltungen und sollte für eine stärkere Berücksichtigung muttersprachlicher Elemente in den kommunalen Abläufen sensibilisieren.
Ich konnte in den vergangenen Jahren schon mehrfach auf nationalen und auch internationalen Tagungen über die Arbeit mit einem Integrationskonzept in Aachen für Flüchtlingen und Migranten berichten.
Bereits seit 2009 ist das Integrationskonzept die Grundlage der vielfältigen Integrationsarbeit und wird durch das Kommunale Integrationszentrum und viele Akteure vor Ort erfolgreich umgesetzt.
Andere Kommunen stehen vielfach erst am Anfang mit dem Aufbau von Strukturen und der Einbindung von Organisationen. Auch deshalb findet immer wieder ein Austausch unter den Städten und Organisationen statt, um voneinander zu lernen und Erfahrungen auszutauschen. So auch in Schwerin, die Landeshauptstadt und andere Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern möchten lernen aus den Prozessen, die sich bereits bewährt haben.
In Fachvorträgen und Workshops wurden auf der Tagung Möglichkeiten ausgelotet, den Zugang von AusländerInnen zu Beratungsangeboten und Dienstleistungen zu verbessern und damit eine gleichberechtigte Teilhabe sicherzustellen. Im Mittelpunkt standen dabei interkulturelle Öffnungsprozesse, der Aufbau kommunaler Dolmetscherdienste und die
Qualitätssicherung von Dolmetschereinsätzen.
Die Gäste der Tagung waren sich einig, dass eine Sprachmittlung insbesondere zu Beginn des Integrationsprozesses die Teilhabechancen von AusländerInnen erheblich erhöht
und dabei hilft, die kommunalen Dienstleistungen zu verbessern.
Dass dies ein erster Schritt ist, davon bin ich überzeugt. Es müssen aber weitere Schritte folgen und dazu gehört vor allem eine intensivere Sprachförderung, vor allem für junge Menschen und AsylbewerberInnen.
Von anderen Kommunen wird unser Konzept, das Aachener Modell, als pragmatische und zielführende Konzeption einer menschenfreundlichen und bedarfsorientierten Integrationspolitik – auch bei der Sprachförderung – gewertet. Neben den positiven Ergebnissen, die wir in Aachen erreichen können, ist dies eine gute Bestätigung unserer Arbeit, von der andere Kommunen gerne profitieren können.
70 Jahre Befreiung Auschwitz
Vor 70 Jahren wurden die Überlebenden in Auschwitz von der Roten Armee befreit.
Es waren nur noch ca. 7000 Menschen die lebend das Lager verlassen konnten, alle am Ende ihrer Kräfte. Dem Holocaust fielen ca. 6 Millionen Menschen zum Opfer, davon kamen mehr als 1 Million in Auschwitz ums Leben.
Gestern fanden an verschiedenen Orten Gedenkfeiern statt. Es ist sehr bewegend, die Berichte und Mahnungen der inzwischen nur noch 300 Überlebenden zu hören. Menschen in hohem Alter, die schwer an dieser Vergangenheit tragen, viele von ihnen sind als Zeitzeugen aktiv in der Aufklärung tätig, mit Schülern und Jugendlichen, denen der Bezug zu unserer Geschichte immer ferner wird, weil die betroffenen Verwandten und Freunde einer Generation angehörten, die bald nicht mehr da sein wird.
Dieser Gedenktag der Befreiung Auschwitz‘ wirft auch die Frage auf, wie gehen wir mit den Menschen um, die in ihrem Heimatland verfolgt werden und von Gewalt bedroht sind?
Für mich ist dies ein Tag, der nicht nur Gedenken, sondern auch handeln einfordert, handeln für den Frieden in der Welt und handeln für die Menschen, die verfolgt werden und zu uns kommen.
Bundestagspräsident Lammert sagte dazu in seiner gestrigen Rede vor dem Bundestag, dass aus unserer Geschichte heraus sich die moralische Verpflichtung ergibt, den Flüchtlingen zu helfen und wir uns fragen müssen, wie wir mit den Menschen umgehen, die der bestialischen Gewalt in vielen Staaten entfliehen und Schutz bei uns suchen.
Diallos Traum: in Aachen leben und arbeiten
In der Freitag-Ausgabe der Aachener Nachrichten (23.01.15) wird über Abdourahimi Diallo berichtet.
Diallo ist ein junger Mann aus Guinea, der in der Aachener Autowerkstatt Unicar eine Ausbildung zum Kfz-Servicemechaniker macht. Er steht kurz vor dem Abschluss und Unicar möchte ihn nach der Ausbildung gerne übernehmen. Was aber nach der Lehre wird, ist derzeit noch unklar, denn A. Diallo hat keine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung. Um eine solche zu erhalten, braucht er einen Pass, der über die Botschaft der Republik Guinea aber nicht zu bekommen ist. Er müsste nach Guinea reisen und ob er von dort wieder zurück nach Deutschland dürfte, ist mehr als fraglich.
Durch die Ebola Epidemie ist die Situation in seinem Heimatland sehr chaotisch, dies sagt sogar die Mitarbeiterin der Botschaft, daher ist nicht mit einer behördlichen Lösung seines Problems zu rechnen. Auch die politischen Verhältnisse sind schwierig in Guinea. Selbst unter dem demokratisch gewählten Präsidenten Alpha Condé bedienen sich die Sicherheitskräfte unverhältnismäßiger Gewalt und es gibt Unruhen. Guinea gilt dennoch als „sicheres Herkunftsland“, was auch immer unter „sicher“ im deutschen Behördendeutsch zu verstehen ist.
Bleibt zu hoffen, dass sich für Diallo Wege finden, einen Aufenthaltstitel in Deutschland zu bekommen, um seine Arbeit bei Unicar als Geselle aufzunehmenusetzen und auch wegen seiner kleinen Tochter, die ihren Vater hier in Aachen braucht.